Körperorientierte Traumatherapie – Somatic Experiencing®

Die körperorientierte Traumatherapie Somatic Experiencing® wurde von Peter Levine gegründet, der einen Doktortitel in medizinisch-biologisch Physik und in Psychologie hat. In seinen frühen Jahren forschte er für die NASA zum Thema Stressreduktion. Dabei schaute er unter anderem auf die Tierwelt und fand bemerkenswerte Wege, wie Tiere mit Stress und Trauma umgehen.
Die Traumatherapie Somatic Experiencing® zeichnet sich darin aus, dass sie neben den Gefühlen und den Verstand vor allen Dingen den Körper mit einbezieht. Und dabei berücksichtigt sie nicht nur die Muskeln, die sich in Stresssituationen bekanntlich anspannen, sondern auch das Bindegewebe und das Nervensystem.

Trauma
Ein Trauma ist eine spezifische Reaktion auf ein Ereignis, das als bedrohlich erlebt wurde. Genau genommen ist das Trauma nicht das Ereignis an sich, sondern eine bestimmte Reaktion darauf. Die selbe bedrohliche Situation kann für den einen Menschen traumatisch sein und für einen anderen einfach aufregend.
Ein Trauma wirkt sich auf die Psyche und den Körper aus.

Auswirkungen auf die Psyche
Auf die Psyche wirkt ein Trauma erschütternd, meistens gehen Gefühle der Angst und Ohnmacht einher.
Oftmals werden Grundfesten des eigenen Lebens erschüttert, wie das Vertrauen in die eigenen Kräfte, das Urvertrauen oder auch das Vertrauen in einer höhere Kraft.
Darüber hinaus können so genannte Trigger entstehen. Trigger sind Reize, die das traumatische Erleben plötzlich und unerwartet wieder hervor rufen, auch wenn objektiv keine Gefahr vorhanden ist. Trigger stehen direkt oder indirekt mit dem traumatischen Ereignis in Verbindung: Wenn das Auto, welches mit als Radfahrerin angefahren hat rot gewesen ist, so kann es passieren, dass sobald ich ein rotes Auto sehe Herzklopfen und Angst bekomme.
Schließlich kann es zu so genannten Flash-Backs kommen: das traumatische Ereignis und das entsprechende Erleben können ‚wie aus dem Nichts‘ plötzlich im Bewusstsein auftauchen.

Auswirkungen auf den Körper
Ein bedrohliches Ereignis versetzt den Körper in einen Alarmzustand: bereit zu sein, um gegen die Gefahr zu kämpfen oder zu flüchten. Dabei erhöht sich der Herzschlag, der Atem wird schneller und flacher, die Aufmerksamkeit und die Sinne sind hellwach und fokussiert, die Spannung in Armen und Beinen steigt, um agieren zu können. Die Hormone Adrenalin und Cortisol werden vermehrt ausgeschüttet. Der Körper mobilisiert viel Energie und ist hoch erregt.

Drei mögliche Reaktionen: Kämpfen, Flüchten oder Erstarren
Es gibt drei mögliche Reaktionen unserer Instinkte auf ein als bedrohlich empfundenes Ereignis: Kämpfen, Flüchten oder Erstarren. Eine vierte mögliche Reaktion, die unser Stammhirn, das für unser Überleben sorgt nicht immer zulässt wäre das ‚Dableiben und besonnen zu reagieren‘.
Wenn Kämpfen oder Flüchten nicht möglich sind, wie beispielsweise bei einem Autounfall, dann greift der Körper auf die Möglichkeit der Erstarrung zurück. Die Erstarrung kann als eine körpereigene Schutzreaktion angesehen werden, die hohe sympathische Erregung des Nervensystems einzudämmen

Normalerweise….
Wenn eine Situation als bedrohlich oder stressig erlebt wurde, der Körper viel Energie mobilisiert hat und somit die sympathische Funktion des Nervensystems aktiviert wurde, dann sollte sich, wenn die Gefahr vorbei ist der Körper von selber wieder regulieren. Das heißt, die hohe Aktivierung herunterfahren, die Spannung in den Muskeln wieder entspannen, die aufgebaute Ladung und Erregung wieder regulieren, also entladen oder integrieren und die Stresshormone Adrenalin und Cortisol wieder abbauen.
Der Körper sollte also wieder in den parasympathischen Modus wechseln. Das heißt, der Herzschlag verlangsamt sich, der Atem wird wieder ruhiger und tiefer, die Aufmerksamkeit wird weicher und weiter, der Körper entspannt sich und ein Gefühl von Erleichterung taucht auf.
Dieser Mechanismus gilt nicht nur für bedrohliche Situationen, sondern für Stress im Allgemeinen. Auch wenn man so genannten positiven Stress erlebt, sollte man wieder in einen entspannten, also parasympathischen Modus kommen.

Was bei Dauerstress und bei einem Trauma passiert
Wenn Dauerstress oder ein Trauma vorhanden ist, dann kann die entspannende Regulierung, also der Wechsel in den parasymapthischen Modus nicht stattfinden. Körper und Geist bleiben dann dauerhaft in dem hoch aktivierten symapthischen Modus.
Dieses kann sich zum Beispiel in Form von innerer Nervosität, Gedankenkreisen, Ängsten, Schlafstörungen, Herzrasen, Verdauungsstörungen, Übersäuerung, und vielem mehr ausdrücken.
Darüber hinaus ist es mittlerweile erwiesen, dass ein permanent hoher Cortisolspiegel im Körper zu Organschäden führen kann.
Bei einem Trauma geht noch weiter: Hat das innere Erregungsniveau einen gewissen Grad erreicht, so reagiert der Körper mit einem Schockzustand, das heißt, er friert ein, um weitere Schäden und eine emotionale Überforderung zu vermeiden. Das kann sich äußern in Gefühllosigkeit, Erschöpfung, Depression, Müdigkeit und im weiteren Verlauf in diverse psychosomatische Beschwerden, wie chronische Kopfschmerzen, Tinnitus, Magen-Darm-Beschwerden, Herzbeschwerden etc.
Das ‚Herunterdrücken‘ der sympathischen Funktion geschieht durch den Parasymapthikus, allerdings bleibt die symapthische Erregung darunter erhalten. Das kann sich beispielsweise darin äußern, dass man sich depressiv und kraftlos fühlt und darunter eine hohe Nervosität sitzt.
Eine permanente sympathische Erregung, auch wenn sie nicht direkt spürbar ist, schadet auf Dauer der Gesundheit.

Körper, Gefühle und Verstand
Was den Umgang mit einem Trauma so schwierig macht, ist dass wir dabei allein mit dem Verstand nicht weiter kommen: Wenn uns ein autoritärer Vorgesetzter an unseren gewalttätigen Vater erinnert, können wir uns mit dem Verstand hundertmal sagen, dass, uns der Vorgesetzte eigentlich nichts anhaben kann; aber der Körper und das Gefühl reagieren weiterhin mit einem hohen Alarmzustand und mit dem Gefühl der Angst und Ohnmacht.
Das liegt daran, weil der Alarmzustand vom Stammhirn, der Teil des Gehirns, der für das Überleben und die Instinkte zuständig sind, gesteuert wird. Auf diesen Bereich hat der Verstand, also der präfrontale Cortex kaum einen Einfluss.

Der Ansatz von Somatic Experiencing®
Der Ansatz von Somatic Experiencing® bezieht nun alle Ebenen mit ein: den Körper, die Gefühle und den Verstand. Da die hohe Ladung im Körper gespeichert ist wird zunächst am Körper angesetzt. Zentral geht es als erstes darum, die gespeicherte Aktivierung, also Ladung zu regulieren, das heißt zu entladen und/ oder in den Körper zu integrieren. Dabei entsteht eine positive Wechselwirkung zu den Gefühlen: Wenn der Körper sich etwas entspannen/ regulieren kann, dann kommt bei den Gefühlen, genauer gesagt im limbischen System an, dass die Situation nun etwas sicherer ist und Erleichterung aufkommen kann.
Diese angenehmen Gefühlen wirken wiederum entspannend und regulierend auf den Körper.
Für die Regulierung des Körpers gibt im Somatic Experiencing® verschiedene Interventionen, die in aller Regel nach mehrmaligem Üben auch für sich zu Hause angewandt werden können. Zentral dabei ist die Fähigkeit, den eigenen Körper zu spüren.
Schließlich ist zu sagen, dass Somatic Experiencing® ein Ansatz ist, der die Selbstregulations- und Selbstheilungskräfte wieder ins Bewusstsein bringt und Werkzeuge vermittelt, mit stressigen und traumatischen Erlebnissen besser umzugehen.