Tiefenpsychologie

Die Tiefenpsychologie ist durch die kritische Auseinandersetzung mit der Psychoanalyse entstanden. Dabei wurden eine ganze Reihe von theoretischen Grundannahmen übernommen. Vor allem die praktische Umsetzung in der psychotherapeutischen Arbeit hat eine Modifikation erfahren.
Unter der Tiefenpsychologie bzw. unter den sog. psychodynamischen Ansätzen sind heutzutage eine Vielzahl unterschiedlicher Theorien und Ansätze zu finden. Für sie sind folgende Aspekte charakteristisch:

Das Unbewusste
Die Tiefenpsychologie geht von der Existenz eines Unbewussten aus, das bei psychischen Problemen und inneren Entwicklungsprozessen eine wichtige Rolle spielt. Im Unbewussten sind Gefühle, Bedürfnisse, Impulse und Erfahrungen zu finden, die in der Regel für den einzelnen unangenehm sind oder mit denen kein Umgang gelernt wurde. Er ist sich ihnen nicht bewusst oder nur halbbewusst. Jedenfalls sind sie im alltäglichen Erleben und Handeln nicht integriert. Klassischerweise können daraus Neurosen entstehen.
Um die unbewussten Inhalte im Unbewussten zu halten, bedarf es einer Abwehr, quasi einer Abschirmung dieser.

Die Abwehr
Die Abwehr hat die Aufgabe, unbewusste Inhalte, also unangenehme Gefühle, Bedürfnisse und Impulse vom bewussten Erleben abzuschirmen. Dieses kann beispielsweise durch Verdrängung, Projektion, Rationalisierung oder Spaltung geschehen.

Charakterstrukturen
Je nachdem, welche Gefühle und Bedürfnisse abgewehrt sind, lassen sich bestimmte Charakterstrukturen identifizieren; zum Beispiel die depressive, narzisstische oder zwanghafte Struktur. Mit ihnen einher gehen jeweils bestimmte ‚Glaubenssätze‘, wie zum Beispiel: „Nur wenn ich etwas leiste, werde ich geliebt“ oder „Ich habe kein Recht auf meine Bedürfnisse“.

Innere Konflikte
Aus der Abwehr bestimmter Gefühle und Bedürfnisse ergeben sich entsprechende innere Konflikte; beispielsweise der Konflikt zwischen dem Wunsch nach Nähe und der Angst vor Zurückweisung. So entsteht innerlich eine ‚Zwickmühle‘, ein Konflikt. Die Abwehr kann sich in diesem Fall so gestalten, dass das Bedürfnis nach Nähe verdrängt wird, da die Angst vor Zurückweisung dominiert.

Objektbeziehung und Übertragung
Die Tiefenpsychologie geht davon aus, dass sich unsere innerpsychischen Muster hauptsächlich in unserer Kindheit ausbilden; dann, wenn die entsprechenden Bedürfnisse, Impulse und Gefühle zum ersten Mal in uns auftauchen.
Die prägenden Erfahrungen finden in der Regel in Beziehung zu unserer Umwelt bzw. in Beziehung zu unseren Eltern statt. Diese Beziehung kann wachstumsfördernd und somit nährend sein oder uns in unserer gesunden Entwicklung hemmen und im weiteren Verlauf zu bestimmten neurotischen Strukturen führen. Zunächst verinnerlichen wir diese Objekte (die uns nahe stehenden Bezugspersonen) und die zu ihnen bestehende Beziehungsdynamik. Unbewusst übertragen wir diese Beziehungserfahrungen im späteren Leben auch auf andere Menschen. Das verinnerlichte Bild des strengen Vaters wird zum Beispiel auf den Vorgesetzten übertragen und wir entwickeln eine Angst, dass er mit uns schimpfen könnte.
Das Übertragungsgeschehen wird auch im psychotherapeutischen Prozess zwischen Therapeut und Klient genutzt: als Aktualisierung und somit Bewusstmachung der eigenen Prägung und als Möglichkeit neue Erlebens- und Reaktionsweisen zu entwickeln.

Praktisch
In der praktischen Umsetzung heißt das, dass es in einer tiefenpsychologisch orientierten Psychotherapie darum geht, die verdrängten Gefühle, Bedürfnisse, Impulse und Erfahrungen bewusst zu machen und zu durchleben, so dass die Abwehr und die entsprechenden Charakterstrukturen und ‚Glaubenssätze‘ gelockert werden können. Und dass sich schließlich die psychischen Symptome, wie beispielsweise Depression verringern und der einzelne ein Leben führen kann, das mehr im Einklang mit seinen Gefühlen und Bedürfnissen steht.